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Eine Prise mehr Radikalität, bitte.

Geschrieben von Oliver Borgmann am .

Radikal & Gewaltfreie Kommunikation? Wie passt dass denn zusammen. Sehr gut, wie ich finde. Ich denke sogar – GFK ohne Radikalität ist keine richtige GFK. Ist quasi GFK auf Sparflamme.

Aber lass uns doch vorne anfangen. Hier und da läuft mir mal das Konzept von „Radical Honesty“ über den Weg, also „Radikale Ehrlichkeit“. Der Kernaspekt von Radical Honesty besteht darin, ehrlich und authentisch zu sein, indem man seine wahren Gedanken, Gefühle und Meinungen ausdrückt, ohne Rücksicht auf soziale Konventionen oder die möglichen Konsequenzen. Es geht darum, die Spannungen und Disharmonien, die durch Lügen und Geheimhaltung entstehen können, zu reduzieren, indem man sich darauf konzentriert, präsent und verantwortungsbewusst zu kommunizieren.

Einfach so jemandem seine Gedanken ungefiltert an den Kopf zu werfen hat natürlich wenig mit GFK zu tun. Aber mir geht es um den Aspekt des radikalen und offenen Teilens dessen, was in uns vor sich geht.

Ich finde, dass dieser Aspekt in der Anwendung der GFK oft zu wenig Beachtung und Anwendung findet. Und das aus „guten Gründen“ – wir halten uns zurück um uns selbst zu schützen – aus Angst davor Zugehörigkeit, Gemeinschaft, Verbindung oder Harmonie zu verlieren.

Was aber, wenn genau diese radikale Ehrlichkeit – vor allem in engen Beziehungen, langfristig zu viel mehr Verbindung und Vertrauen führt. Und auf Dauer viel mehr Bedürfnisse erfüllt. Wenn wir nur diese Angst überwinden und stattdessen in unsere Fähigkeit vertrauen, schwierige Situationen mithilfe der GFK zu navigieren.

In meinem Leben bin ich gerade auf der anderen Seite mit genau dieser radikalen Ehrlichkeit konfrontiert. Auf der anderen Seite. Ich bekomme sehr klar und sehr deutlich gesagt, was von mir erwartet wird und bekomme sehr klares Feedback. Auf der einen Seite erschüttert es mich in meinen Grundfesten – rüttelt an tiefen Glaubenssätzen und Mustern, die ich habe. Das ist sehr schmerzhaft und gleichzeitig sehe ich die transformative Kraft, die daraus entsteht. Die Chance zu wachsen und mich zu entwickeln, wenn ich es schaffe da zu bleiben und nicht schreiend weg zu laufen.

Nochmal, ich rede hier nicht von einer verletzenden Ehrlichkeit, in der man einfach ungefiltert seine Urteile über jemandem auskippt – aber ich rede von einer Deutlichkeit, einer Klarheit, einer Ehrlichkeit – die sehr tief geht – und gleichzeitig schmerzhaft sein kann.

Es ist sehr bewegend, wenn man sich während dieses Prozesses gegenseitig sehen kann. Darin, wie schwer es ist – sich in dieser Klarheit auszudrücken, weil man sehr genau weiß, wie es die andere Person schmerzt. Und auf der anderen Seite eben mit dem Schmerz des inneren Prozesses, den die Klarheit möglicherweise gerade auslöst. Und ist es nicht auch ein großer Beweis von Vertrauen, einem Menschen der einem am Herzen liegt, diesen inneren Prozess zuzumuten? Ihn in der Selbstverantwortung zu lassen und zu vertrauen, dass man gestärkt transformiert daraus hervorgeht.

Das ist die radikale Ehrlichkeit, die ich mir für dich und die Gewaltfreie Kommunikation wünsche. Ich kann diese Widerstände deutlich spüren, Klarheiten zu schaffen. Und ich kenne mein Muster – ignorieren und wegschauen. Das kenne ich seit meinen ersten Jugend-Beziehungen, die eigentlich vorbei waren und ich mich so lange nicht traute, Klarheiten zu schaffen, bis ich so unerträglich wurde, dass die andere Seite Klarheiten schaffte. (Gut, damals kannte ich auch noch kein GFK ;-))

Heute ist es immer noch nicht leicht, aber ich habe mehr Vertrauen, dass ich mit den auftauchenden intensiven Situationen besser umgehen kann.

Welche Klarheiten willst du lange schon schaffen? Vielleicht gibt es auch kleine Mini-Klarheiten, mit denen du mal starten möchtest? Du könntest auch mal deinem inneren Widerstand zuhören und ihn fragen, was er eigentlich befürchtet, wenn du radikal ehrlich bist – und ihm dafür Empathie geben.

Wie auch immer – ich wünsche dir, dass du diesen Impuls dafür nutzen kannst, mehr Ehrlichkeit und Klarheit in dein Leben und in das Leben anderer Menschen zu bringen. Es ist richtig anstrengend- und es fühlt sich richtig gut an. Für beide Seiten. Go for it!

Oliver

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