Traumatische Erfahrungen als Quelle innerer Stärke
Trauma und seine Auswirkungen
Viele von uns haben in ihrer Kindheit oder später Erfahrungen gemacht, die wir damals nicht verarbeiten und begreifen konnten. Traumata können entstehen, wenn etwas passiert, das uns tief verstört und wir keine Kapazität haben, es zu begreifen, und niemand da ist, der uns auffängt oder begleitet, oder wenn früh grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Traumatische Erfahrungen können unsere Wahrnehmung und unsere Reaktionen tiefgreifend beeinflussen. In der Gesellschaft steigt das Bewusstsein dafür, und damit auch die Angebote der Traumatherapie, um die negativen Folgen der Traumata auf unser heutiges Leben abzumildern. Diese Arbeit ist enorm wichtig. Hierfür gibt es viele Angebote und Texte, so dass ich diesen Aspekt an dieser Stelle deutlich anerkennen, aber nicht weiter darauf eingehen möchte.
Verborgene Stärken entdecken
Heute möchte ich den Blick auf die Ressourcen lenken, die sich aus Traumata und traumatischen Erfahrungen heraus entwickeln können. Viele der Antworten, die wir als Reaktion auf unsere Traumata entwickelt haben, sind heute vielleicht nicht mehr hilfreich, da wir erwachsen sind und andere, zielführendere Strategien zur Hand haben.
Doch was ist mit den Charaktereigenschaften oder Fähigkeiten, die sich aufgrund traumatischer Erfahrungen herausgebildet haben und die heute eine große Stärke sind?
Mein persönlicher Weg
„Wow, ich bin beeindruckt, wie du immer alle im Blick hast.“, „Ich schätze so sehr deine sensible Reaktion auf Vorgänge in der Gruppe.“, „Irgendwie sammelst du immer die ein, denen es gerade nicht gut geht. Wie machst du das nur?“ Diese und ähnliche Reaktionen höre ich oft, wenn ich Gruppen leite und begleite. Diese Fähigkeiten sind nicht zufällig entstanden.
Schon früh entwickelte ich als Traumareaktion den Glaubenssatz: „Wenn es allen um mich herum gut geht, bin ich sicher.“ Diese große Aufgabe – „Ich muss dafür sorgen, dass es allen um mich herum gut geht, damit ich sicher bin.“ – überforderte mich viele Jahre und führte zu einem Burnout als junge Erwachsene. Bis der Glaubenssatz endlich ans Licht kam und ich ihn als Schutzreaktion auf mein Trauma erkennen konnte.
Heute kann ich zwischen der Überforderung und der Stärke, die diese Traumaresponse mit sich bringt, unterscheiden. Ich kann sehr leicht wahrnehmen, was emotional in den Menschen um mich herum passiert. Ich habe aber auch gelernt, das zu filtern und abzuschalten, bevor es mich überfordert. Dadurch wurde mir bewusst, dass ich sehr feine Antennen habe und auch in großen Gruppen wahrnehmen kann, wer gerade emotionale Unterstützung braucht. Ich schaue mich im Raum um und weiß Bescheid. Interessanterweise spüren die betroffenen Menschen das meist sehr schnell und vertrauen sich mir an. Es passiert häufig, dass ich hinterher erzähle: „Ich schaute sie an und wusste Bescheid. Dann brachen die Schleusen.“ Nicht nur öffnen sich die Schleusen bei anderen Personen durch meine trauma-bedingte Sensibilität und Vertrauenswürdigkeit. Durch meine jahrelange Arbeit und Ausbildung kann ich die Person auch unterstützen, mit ihren starken und oftmals überfordernd wirkenden Emotionen umzugehen, sie auszuhalten, abfließen zu lassen, zu sortieren und mehr und mehr einen Ort des inneren Friedens zu finden.
Gerne hätte ich auf meine traumatischen Erfahrungen verzichtet, die mir diese große Fähigkeit eingebracht haben. Da ich die Erfahrungen aber nicht rückgängig machen kann, schätze und ehre ich die Fähigkeiten, die ich mir dadurch angeeignet habe und die ich heute sehr sinnbringend einsetze, um andere Menschen zu begleiten, während ich mich nicht überfordere, sondern in mir ruhe.
Teile deine Geschichte
Schreib mir gerne, welche Stärken du hast, die ursprünglich eine Antwort auf eine traumatische Erfahrung waren. Deine Geschichten können anderen Mut machen und zeigen, dass auch aus schwierigen Zeiten wertvolle Fähigkeiten hervorgehen können.
Deine Chance
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Liebe Iris, danke für deine Schilderung.
Ich sehe mich als kleines Rikele, die als das 5. Kind noch begruesst wurde und soviel getragen hat.
Ich wollte ständig meiner Mutter helfen, sie retten, unterstützen…. Um sicher zu sein.
Das ging mein ganzes Leben so weiter. Zwei Ehemänner….
Inzwischen darf ich es anschauen und neu betrachten.
Friderike, die jetzt erwachsen ist.
Liebe Friderike, liebe Rikele,
Ja, wie gut das zu erkennen und isch immer wieder daran zu erinnern, dass es jetzt sicher ist und die Situation vorbei ist 🙂 Rikele hat damals ihr Bestes gegeben und darf sich jetzt endlich ausruhen. Friderike hat daraus viel gelernt und kann jetzt für sich sorgen (herz). Danke für´s Teilen!
Hallo lieber Markus. Ich würde sehr gerne etwas zu deinem Beitrag sagen und dir meine Perspektive schildern. Ich glaube alle Menschen die Traumata erlebt haben, wurden nicht vor die Wahl gestellt diese zu erleben oder nicht. Und ich denke, dass alle einstimmig diese gerne rückgängig machen würden. Es ist wie eine tiefe Schnittwunde, die eine hässliche und große Narbe zurücklässt.
Viele Menschen schämen sich dieser Narben, versuchen sie zu verstecken oder haben sogar Schuldgefühle deswegen. So geht es mir zumindest.
Ich glaube was dieser Blogbeitrag sagen will und was viele Traumatabetroffene ganz lange nicht sehen können ist: es gibt nicht nur negative Seiten eines Traumas. Wenn man es schafft, den Blick dafür zu öffnen, welche Stärken man daraus entwickelt hat, da man das Trauma „überlebt“ hat, kann auch der Heilungsprozess einsetzen. Man traut sich vielleicht einigen ausgewählten Menschen seine Narben zu zeigen oder ist vielleicht auch stolz darauf, was man aus diesen schwerwiegenden Ereignissen gemacht hat. Auch wenn ich meine Traumata nicht rückgängig machen kann und sie mir sicher nicht ausgesucht habe, hilft es mir die Stärken zu erkennen die ich daraus entwickelt habe. Heute bin ich deswegen sehr stolz auf mich. Danke für diesen Beitrag, der diese Perspektive unterstützt.
Hallo anonym, Ich danke dir sehr für deine Worte. Sie berühren mich sehr und sprechen für mich in anderer Weise aus, was ich ausdrücken wollte. Danke!
Als Kind lernte ich, meine Gefühle abzuschalten, weil ich immer wieder mit Unsicherheit und Verlust konfrontiert wurde. Die ständigen Veränderungen und die Abwesenheit von vertrauten Menschen prägten meine Kindheit tief. Ich verlor geliebte Personen durch Krebserkrankungen und musste immer wieder in Kinderheimen leben, was meine Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, erschütterte. Diese Erfahrungen zwangen mich, eine Art Schutzmechanismus zu entwickeln: Ich unterdrückte meine Gefühle, um nicht ständig von Schmerz und Trauer überwältigt zu werden.
Dieser emotionale Panzer gab mir eine scheinbare Stärke, die andere bewunderten. Sie sahen in mir jemanden, der stets die Fassung bewahrte, auch in den schwierigsten Situationen. Doch hinter dieser Fassade verbarg sich ein tief verletztes Kind, das einfach nur überleben wollte.
Trotz meines Hauptschulabschlusses und der Herausforderungen, die das Leben mir stellte, entschied ich mich, meinen Weg konsequent weiterzugehen. Ich holte alle erforderlichen Schulabschlüsse nach und begann ein Mathematikstudium. Die Fähigkeit, meine Gefühle abzuschalten und mich voll und ganz auf meine Aufgaben zu konzentrieren, erwies sich als unschätzbarer Vorteil. Mathematik bot mir eine klare, logische Welt, in der ich Zuflucht fand und in der meine Vergangenheit keine Rolle spielte.
Mein Fokus und meine Disziplin beeindruckten meine Kommilitonen und Dozenten gleichermaßen. Sie sahen in mir jemanden, der unbeirrbar seinen Weg ging, der sich durch nichts ablenken ließ. Doch nur wenige ahnten, dass diese Stärke aus einer tiefen Notwendigkeit heraus geboren war, sich vor weiterem emotionalen Schmerz zu schützen.
Heute, wenn ich auf meinen Weg zurückblicke, erkenne ich, dass das Abschalten meiner Gefühle mich einerseits gestärkt, andererseits aber auch isoliert hat. Ich habe gelernt, dass wahre Stärke nicht nur darin besteht, Gefühle zu unterdrücken, sondern auch, sich ihnen zu stellen und sie zu akzeptieren.
Liebe Martina, wow, DANKE für´s teilen! In deinen Worten lese ich genau diesen Zwiespalt, den Schmerz, die Einsamkeit und gleichzeitig die Stärke, die daraus entstanden ist und auch eine Wahl – Gefühle manchmal zu unterdrücken und manchmal zu spüren – abhängig davon, was gerade lebensdienlicher ist und als bewusster Prozess, nicht als Traumareaktion. Danke!
Hallo Iris!
Danke für deinen Artikel, er hat mich berührt, weil er mich an meine Kindheit/ mein Jugendlich- Sein erinnert.
Durch meine Eltern musste ich mich Situationen aussetzen, in denen ich durch strenge Erziehungsmethoden auf den rechten Pfad wieder zurückgeleitet werden sollte. Was das bei mir erzeugte war aber eher Angst, Scham, Unsicherheit und gleichzeitig entdeckte ich eine feinfühlige Wahrnehmung meines Umfeldes, was mich zu dieser Zeit echt irritierte, weil ich es nicht einordnen konnte: Sind das meine Emotionen oder die der Anderen? Diesen Unterschied war mir oft nicht klar. Erst später durch viel Arbeit in einer Männergruppe, Gruppen – Therapie, Coach- & Trainerausbildung (DVNLP) sowie die GfK – Ausbildung zum Trainer, haben die vielen Schichten meines Schmerzes / meiner Abwehr/ meiner Schutzfunktionen abgetragen.
Inzwischen bin ich in einigen Teilen in meinem Kern angelangt und die Arbeit mit meinem inneren Kind im letzten Jahr in Verbindung mit der GfK, hat mich zum Kern in mir dringen lassen. Hier konnte ich zentrale Glaubenssätze erkennen, die mich oft in der Vergangenheit einschränkten. Im Bewusstsein dieser Glaubenssätze, konnte ich sie verändern und in günstigere Umwandeln.
Dieser ganze Prozess der Veränderung hat mich immer staunen lassen, wie viel Potenzial in mir ist, was ich inzwischen in den Workshops mit Teilnehmern wirklich gut anwenden kann, um sie in jeder Phase ihrer Entwicklung begleiten zu können.
Ich habe Vertrauen in mich und mit meinem Umfeld zu sein. Das gibt mir immer mehr Sicherheit, weil ich mein Leben auf der Grundlage meiner Gefühle und Bedürfnisse leben kann. Das stillt mein Bedürfnis nach Sinn.
Fazit: Alles in meinem Leben hatte einen Sinn gehabt, auch wenn ich einige Erlebnisse gerne nicht erlebt hätte, so hat es in der Nachschau mir die Tiefe in mir geöffnet und hat mich weiterentwickeln lassen, um der Mensch wieder zu werden, der ich von Geburt aus war.
Herzlichst Arnd
Danke für diesen interessanten Impuls und die Perspektive ♡
Ich finde mich in dieser Beschreibung total wieder…. und auch ich schätze meine Stärken und Ressourcen, die sich aus bestimmten Lebensumständen (es müssen ja nicht gleich Traumata gewesen sein…) entwickelt haben 🙂
Lg Sandra
Puh, der Blick ist mir zu rosarot – erstmal wäre ich vielleicht auch ohne Trauma sensibel geworden, aber noch wichtiger: Starke Empathie-Antennen für andere sind bestimmt toll, aber wenn ich dafür eigene Grenzen nicht setzen kann, meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse kaum auf dem Blick habe und Jahre meines Lebens darauf verwende, mein Umfeld Richtung Harmonie zu manipulieren – ich glaub dann wäre ich ohne Trauma besser dran.
Bißchen wie Superkräfte durch radioaktiven Abfall, aber obendrauf gibts Leukämie.
Ich bin total bei dir, ohne Trauma wäre ich sicher besser dran – und die meisten anderen Menschen auch. Leider konnte ich mir nicht aussuchen, ob und welche traumatischen Erlebnisse ich hatte. Der Artikel setzt einen Schritt später an: wenn ich eine (oder mehrere oder viele) traumatische Erlebnisse hatte, gibt es unterschiedliche Perspektiven, diese zu betrachten. Eine mögliche Perspektive ist im Artikel beschrieben. Vielleicht ändert das die Farbe von rosarot zu….?
Vielen Dank für diesen kraftvollen Impuls und Öffnung einer hoffnungsvollen Perspektive