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Gott im Wasserfall und andere Naturerlebnisse

Geschrieben von Jürgen Engel am .

Wir haben uns kurzerhand entschieden, unseren Freund Steven auf Puerto Rico zu besuchen. Zuvor hätten wir die Insel nicht einmal auf einer Karte finden können und hatten keine Ahnung, worauf wir uns einließen. Doch wir wurden angenehm überrascht.

Auf idyllische Karibikstrände, tropische Sonne und Regenwald waren wir zwar „vorbereitet“, aber was wir tatsächlich erleben würden und wie es sich in der Realität anfühlt, konnten wir nicht vorhersehen.

Der Cañón Blanco, der weiße Canyon, ein Tipp von Stevens Freunden auf der Insel, war eine unserer ersten Stationen, die wir früh am Morgen ansteuerten. Wenn du neugierig bist, kannst du hier auf Google Maps zahllose Bilder von begeisterten Besuchern anschauen.

Um den Tag voll auszukosten, waren wir schon gegen 8 Uhr morgens vor Ort und direkt überwältigt von der Magie dieses Ortes. Ganz glatt gewaschene, weiße Steine rahmten den Canyon ein, durch den ein glasklares Wasser floss, fast so warm wie in unserer Badewanne. Kleine und große Fische waren überall, und auch zwei Wasserschildkröten schwammen gelegentlich bei uns vorbei.

Wir verbrachten Stunden damit, über die Steine zu klettern und auch mitten durch den Fluss zu schwimmen oder zu waten. Ein kleiner Wasserfall hatte es uns besonders angetan, und so machten wir dort eine Weile Rast. Die Steine waren so warm und weich geschliffen, dass wir uns einfach für einen ausgedehnten Mittagsschlaf in dieser wilden Umgebung hinlegten. Unglaublich, aber in dieser ganzen Zeit sahen wir keinen einzigen anderen Menschen; wir waren komplett allein, als wäre es unser Privatpark.

Wie betrunken von der Natur machten wir uns am frühen Nachmittag auf den Heimweg und waren uns einig: Das reicht schon für einen ganzen Tag. Mehr konnten wir gar nicht verarbeiten. Am besten setzen wir uns hin und lassen einfach die Bilder und Emotionen nachwirken.

Wasser sollte das dominante Element auf dieser Reise bleiben. Eine Woche später machten wir uns auf nach Luquillo, um den El Yunque Regenwald zu besichtigen. Wir beiden waren noch nie im Regenwald. El Yunque ist ein riesiges Naturschutzgebiet und die Touristenattraktion auf Puerto Rico. Für jedes Level an Herausforderung und Abenteuer ist dort gesorgt. Man kann im klimatisierten Auto hindurchfahren und auch beliebig tief für Stunden in den fast unberührten Regenwald eintauchen, ohne Handyempfang und weitab jeglicher Zivilisation.

Wasserfälle hatten es uns inzwischen angetan, und in El Yunque gab es mehrere. An bzw. auch in einem dieser Wasserfälle sollten wir unser intensivstes Erlebnis auf der Insel haben. Es gab dort einen Fluss, der hoch oben am Berg entsprang und sich bis ins Tal, bis zur Straße und den Parkplätzen durch den Wald nach unten schlängelte, immer wieder flankiert von kleineren und größeren Wasserfällen.

Wir fingen ganz unten an und kletterten bald viele hundert Meter den Fluss nach oben, wo schon lange keine anderen Touristen mehr unterwegs waren. Es ist eine Übung in absoluter Achtsamkeit und Präsenz. Es war richtig gefährlich; das Wasser floss schnell, es war ziemlich glitschig, Steine jeder Größenordnung, sodass jeder kleinste Schritt extrem fokussiert gesetzt werden musste. Es war klar: Einmal ausrutschen könnte mit vielen gebrochenen Knochen enden.

Dies allein führt schon zu einer veränderten Wahrnehmung, denn kaum zu einem anderen Zeitpunkt war ich so präsent, so „da“, so im „Moment“. Es war wie ein dauerhaft verändertes, ja erweitertes Bewusstsein. Schon weit oben machten wir an einem dieser magischen Wasserfälle halt. Die Intensität war schlichtweg atemberaubend. Die Macht, die Gewalt des Wassers, das Geräusch, die Unberührtheit wirkten mit voller Wucht auf uns ein.

Wir waren allein, kein Mensch weit und breit. Also legten wir alle Kleidung ab und sprangen so, wie wir waren, ins Wasser und ließen es auf uns herabregnen. Keine Worte können diese Erlebnisse beschreiben. Wieder auf dem Trockenen saßen wir sicher noch zwei Stunden oder mehr meist schweigend da und ließen die Szene auf uns wirken. Wir waren 360 Grad von roher Natur umgeben. Nur grüne Farne und Palmen, schwarze Felsen, das tosende Wasser und ein paar Vögel hier und da.

Und da war dieses Gefühl, dieser intensive Eindruck: Alles hier lebt. Alles hier ist bewusst. All das hier ist eins und gehört zusammen. All das hier ist gut, ist richtig, friedlich und ohne Bewertung oder Moral. Es ist einfach. So ist das Leben gemeint. Und ja, auch wir Menschen gehören zu diesem „alles“ dazu, auch wenn es sich meist nicht so anfühlt, wir uns von aller Natur getrennt sehen und sie bekämpfen, wo wir nur können. Trotzdem gehören wir dazu, so wie alles andere auch. Ich habe keinen religiösen Glauben, und gleichzeitig war für mich das, was viele Menschen vermutlich unter „Gott“ verstehen oder spüren, hier energetisch sehr präsent.

Ich stelle mir vor, wie sich schon vor Abertausenden von Jahren die frühen Menschen gefühlt haben, eingebettet und verbunden mit der Natur. Es schien mir offensichtlich, dass die Präsenz einer großen, nicht sichtbaren und greifbaren, wohlwollenden „Macht“, einer Einheit, hier quasi so zwingend präsent war, dass sie kaum geleugnet werden konnte.

Schade, dass aus dieser Art von Erlebnissen vermutlich viele der wenig lebensdienlichen Glaubenssysteme konstruiert wurden, aber das ist ein anderes Thema… 😉

Was nehme ich aus dieser Reise mit: Ein Urlaub kann sehr viel mehr Bedürfnisse erfüllen als nur Entspannung und Ruhe. Ein Urlaub kann ein Abenteuer sein, er kann immens lehrreich und inspirierend sein, er kann mein Bedürfnis nach Spiritualität, Sinn und Kreativität erfüllen und mich zutiefst mit der Natur, dem Leben und mit mir selbst verbinden. Und er kann mich auch sehr nachdenklich machen. All das wirkt immer noch nach.

Welche Bedürfnisse erfüllt Urlaub für dich? Und welcher Urlaub war für dich besonders berührend und warum? Ich freue mich auf den Austausch.

Herzlich, Jürgen

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