Skip to main content

GFK weltweit – Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen

Geschrieben von Iris Bawidamann am .

GFK weltweit – Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen

Ende letzten Jahres wurde ich in den Vorstand des Center for Nonviolent Communication (CNVC) gewählt – dem internationalen Dachverband für Gewaltfreie Kommunikation. Ich war neugierig, geschmeichelt – und auch ganz schön nervös angesichts der Verantwortung und Arbeit, die das mit sich bringt. Vor allem hatte ich Angst davor, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und dann – weltweit – nicht mehr gemocht zu werden. Ein alter Glaubenssatz, der bei mir immer wieder mal auftaucht, wenn ich Verantwortung übernehme. Ich mag ihn nicht übergehen – aber ich mag ihm auch nicht das Steuer überlassen

Am Ende war die Lust, mich auszuprobieren, wieder in einem internationalen Umfeld zu arbeiten und meine Stärken einzubringen größer als die Angst und ich bin seither mit großer Freude in meiner neuen Aufgabe.

Fünf Monate später mag ich erste Eindrücke teilen: von der Vielfalt der Themen, die uns beschäftigen, von den Stärken und Schwächen, die ich neu an mir entdecke – und von den vielen herausfordernden, spannenden, manchmal auch unbequemen Fragen, mit denen wir uns beschäftigen. Vor allem fordert mich immer wieder, wie komplex alles ist. So gut wie nichts ist einfach so zu beantworten. Alles hat so viele Aspekte, dass mir manchmal ganz schwindlig wird und jede Entscheidung kann nur einen Bruchteil der Komplexität abbilden.

Heute möchte ich ein paar Themen teilen, mit denen ich mich im CNVC gerade am meisten beschäftige – es gibt noch mehr, aber ich fokussiere meine Energie und Aufmerksamkeit gerade auf diese hier:

Strukturelle Gewalt – und die Frage, wie wir damit umgehen

Die Kernintention der GFK ist Verbindung. Mit sich selbst, mit andern, mit dem Leben. Da steckt eigentlich schon alles drin, was es braucht. Aber was, wenn Machtverhältnisse oder Diskriminierung im Spiel sind und es nicht mehr nur um die Verbindung zwischen einzelnen geht? Oder in einem Bild gesprochen, das Marshall Rosenberg gerne nutzte: Wie lange hole ich Babys aus dem Fluss, die hineingeworfen werden und ab wann gehe ich zu der Stelle, an der sie hineingeworfen werden?

Wir ringen im CNVC sehr darum, wie wir mit internalisierten und unbewussten Machtstrukturen verantwortungsvoll umgehen können – als Organisation, aber auch als Einzelne. Es ist nicht leicht, und es ist nicht bequem. Und genau deshalb ist es so zentral. Aber wie sieht man seinen eigenen blinden Flecken? Ich bin selbst sehr gespannt. Wir haben noch ein Stück Weg vor uns.

Verlässlichkeit und Vertrauen

Wie gehen wir mit Spannungen um, ohne zu verurteilen, aber auch ohne in „Harmoniezwang“ zu verfallen? Was passiert, wenn Menschen in verantwortungsvollen Rollen ihre Rolle nicht in einer Weise leben, die wir als stimmig empfinden? Oder wenn jemand etwas erlebt hat, was schwierig ist, die andere Person sich dessen aber gar nicht bewusst ist?

Im Vorstand sind wir immer wieder damit konfrontiert, wie herausfordernd es ist, sowohl klar zu sein, als auch empathisch zu bleiben – und wie viel Mut und Zeit es manchmal braucht, um Klarheit und Verbindung zu schaffen. Daher ist es uns ein Anliegen, ein transparentes und verlässliches „Konfliktmanagement“ zu etablieren: ein System, das allen, die mit dem CNVC zu tun haben – ob als Trainer:in, Teilnehmer:in oder Mitarbeitende – Sicherheit gibt. Damit Konflikte nicht unendlich viel Energie kosten, sondern Raum für Entwicklung öffnen.

Wen wollen und können wir erreichen?

Eine der weitern großen Fragen ist: Wie können wir die GFK mehr und mehr zugänglich machen – sprachlich, finanziell, und auch kulturell? Wie können wir global möglichst viele Menschen erreichen, ohne „missionarisch“ zu sein? Welche neuen Modelle braucht es, um vielfältige Angebote, auch niedrigschwellig zu haben? Wie können wir gleichzeitig nachhaltig arbeiten, so dass Trainer:innen, wenn sie möchten, davon leben können?

Dazu kommt: Aktuell sind über 1000 Menschen weltweit CVNC-zertifizierte GFK-Trainer:innen. Wie wissen wir, wer diese Menschen sind, was sie brauchen, wie wir sie unterstützen können? Wollen wir noch mehr Trainer:innen? Oder gezielter wirken? Auch hier geht es um Ausrichtung und Vision.

Meine Stärken und Schwächen

In den bisherigen 5 Monaten im Vorstand macht mir vor allem die Komplexität der einzelnen Themen oft echt zu schaffen. Wie finde ich eine klare Antwort und Meinung in mir, wenn es so viele Aspekte und Perspektiven dazu gibt? Welche wähle ich? Und mit welchem Vorgehen können wir möglichst viele Perspektiven berücksichtigen? Ich bin sehr froh, dass wir uns im Vorstand darauf geeinigt haben, jeweils eine „gut genug Lösung“ zu finden und nicht nach der perfekten Lösung zu streben. Wir wollen gerne in Bewegung bleiben und bei Bedarf nachsteuern.

Was mir sehr viel Spaß macht ist der Austausch mit Menschen aus der ganzen Welt, die sich mit denselben Themen beschäftigen und ganz andere Argumente und Sichtweisen einbringen. Uns alle vereint aber, der Blick auf das große Ganze. Das ist eine Stärke, die ich hier sehr stark an mir wahrnehme: bei allem Trubel und aller Komplexität kann ich immer wieder „rauszoomen“ und auf das Gesamtgefüge schauen du dann aus der Ruhe heraus handeln.

GFK global leben

Foto: International Intensive Training in Deutschland 2023

Seit meinen ersten internationalen Jugendaustauschen in den 2000-ern bin ich großer Fan von multilateralen Begegnungen. Irgendwie fühle ich mich auf internationalem Parkett zu Hause. Für mich liegt so viel Weite und Lernen in diesen Begegnungen.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich riesig, dass wir in diesem Jahr wieder selbst ein Internationales Intensivtraining (IIT) in Deutschland organisieren – ein Format, das Menschen aus aller Welt einlädt, 9 Tage lang GFK gemeinsam zu leben und zu erleben. Besonders dabei finde ich, dass es dabei nicht darum geht, GFK „perfekt“ zu leben, sondern gemeinsam zu erforschen und zu wachsen. Während wir gemeinsam gestalten, bleibt dich auch jede:r in der Selbstverantwortung. Vielleicht hast du Lust, dabei zu sein? Das IIT findet von 12.-21. September in Chieming statt.

Falls du erstmal reinschnuppern willst, wie sich so ein IIT anfühlen könnte: Am Sonntag findet ein Online-Festival mit fünf kostenlosen Workshops, Bewegung, Austausch und Empathie-Café statt.
Eine schöne Gelegenheit, die Trainer:innen kennenzulernen, internationale GFK-Luft zu schnuppern – und dich einfach inspirieren zu lassen. Ich werde auch dabei sein und uns durch den Tag führen 

Es ist mir eine große Freude, GFK nicht nur mit KLARWEIT im deutschsprachigen Raum, sondern auch im internationalen CNVC-Kontext mitzugestalten.
Vielleicht sehen wir uns ja am Sonntag beim Online-Festival? Ich würde mich sehr freuen – auf ein Wiedersehen oder ein erstes Kennenlernen.

Alles Liebe,
Iris

Kommentare (2)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Blogbeiträge

Wenn Enttäuschung lebensbedrohlich wirkt

Iris Bawidamann
15/05/2025

Anwendungsideen für deine GFK-Schatzkarte

Jürgen Engel
06/05/2025

Application ideas for your NVC treasure map

Jürgen Engel
06/05/2025

Warum wir manchmal nicht ins Tun kommen – und wie Veränderung beginnt

Jürgen Engel
29/04/2025

Den Kampf im Kopf klären

Jürgen Engel
17/04/2025

Das Socken-Dilemma – oder: Warum ich mich wochenlang nicht entscheiden kann, ob ein Paar Socken weg darf.

Iris Bawidamann
04/04/2025

Unsere Seminare