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Was hat Persönlichkeitsentwicklung mit Verantwortung zu tun?

Geschrieben von Jürgen Engel am .

Gewaltfreie Kommunikation ist bekanntlich wesentlich mehr als eine Methode der Kommunikation und Konfliktlösung. Daher denken wir immer wieder darüber nach, wie wir den Nutzen dieser „Praxis“, wie wir es gerne nennen, am besten beschreiben können. 

Persönlichkeitsentwicklung ist ein Begriff, den wir dabei immer wieder verwenden.

Persönlichkeitsentwicklung ist in meiner (subjektiven, nicht allgemeingültigen) Definition ein kontinuierlicher Prozess der Selbstreflexion und des inneren Wachstums, der darauf abzielt, ein tieferes Verständnis für sich selbst, die eigenen Werte, Bedürfnisse und Emotionen zu erlangen. Es bedeutet, hinderliche Glaubenssätze und Verhaltensmuster zu erkennen, um bewusster zu leben und authentischer zu handeln. Der Kern der Persönlichkeitsentwicklung ist die Verantwortung für die eigene innere Erfahrung und das Streben nach einem Leben im Einklang mit dem eigenen, authentischen Selbst.

Es ist dabei unumgänglich, dass sich auch meine Sprache und meine Empathiefähigkeit verändern und erweitern. Davor steht jedoch der innere Prozess, die Sprache folgt diesem nach.

Verantwortung bzw. Selbstverantwortung spielt dabei eine tragende Rolle.

„You are 100% responsible for the quality of your inner experience“, hat mein Lehrer Robert Gonzales festgestellt, zu Deutsch: Du bist zu 100 % für die Qualität deiner inneren Erfahrung verantwortlich. Was hat er damit gemeint?

Ich bewege mich durch die Welt und mache ständig Erfahrungen. Dinge passieren im Außen, Angenehme und Unangenehme. Menschen interagieren mit mir, manche freundlich, manche weniger. Jede Sekunde bietet mir die Außenwelt neue Reize, die auf mich einwirken. Auf fast alle diese Reize habe ich sehr wenig bis gar keinen Einfluss.

Worauf ich Einfluss habe, ist die Art und Weise, wie ich die Reize, die Erfahrungen, die auf mich einwirken, deute und verarbeite. Wie ich auf sie „reagiere“ – emotional, kognitiv und in meinen Entscheidungen und Handlungen.

Es ist meines Erachtens eine Fehlannahme, dass die Außenwelt (auch andere Menschen) mir direkt „Gefühle“ machen, also auf direkte Art und Weise mein Wohlbefinden bzw. meine „innere Erfahrung“ beeinflussen kann.

Ein einfaches Beispiel:

Ich bin zum Essen verabredet, und die Person, die ich treffen will, ist 30 Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt noch nicht erschienen und auch nicht erreichbar. Das ist die Erfahrung, die die Welt mir aktuell liefert. (Im GFK-Jargon wäre dies die „Beobachtung“.)

Wenn ich jetzt wütend, genervt, enttäuscht etc. bin, dann ist der Impuls fast unwiderstehlich, die Verantwortung für meinen inneren Zustand bei der anderen Person zu verorten. „Sie hat mich sitzen lassen“, und daher habe ich schlechte Laune. Hier ist, wo die Selbstverantwortung ins Spiel kommt. Mein innerer Dialog bzw. die „Geschichte“, die ich mir zu meiner aktuellen Erfahrung erzähle, ist die eigentliche Ursache für meinen inneren Zustand.

  • Wenn ich denke, dass ich der anderen Person nicht wichtig bin oder sie gar mit Absicht zu spät kommt, werde ich mich ärgern.
  • Wenn ich denke, dass es sowieso schöner ist, etwas Zeit für mich alleine zu haben, werde ich vielleicht erleichtert oder fröhlich sein.
  • Wenn ich denke, dass der anderen Person etwas zugestoßen ist, werde ich vielleicht ängstlich oder besorgt sein.
  • Wenn ich denke, dass die andere Person ganz sicher triftige Gründe hat und sich alles aufklären wird, bin ich vielleicht neugierig und entspannt.
  • Wenn ich daran denke, wie gerne ich Zeit mit der Person verbracht hätte, bin ich vielleicht traurig.

Mein innerer Zustand, meine Motivation, meine Gefühle und Bedürfnisse und ganz besonders meine Gedanken, also die „Story“, die ich aus der Situation konstruiere, sind die Faktoren, die meine innere Erfahrung formen und beeinflussen – viel mehr als das, was eigentlich passiert ist.

Das ist, was für mich Selbstverantwortung bedeutet, und es hat absolut gar nichts mit Schuld zu tun. Es bedeutet nicht, dass ich „schuld“ bin an dem, was passiert, und dass alles „mein Problem“ ist. Es bedeutet lediglich anzuerkennen, dass das, was in meinem Inneren passiert, mein eigenes „Zeug“ ist und wesentlich mehr mit mir als mit der Außenwelt zu tun hat.

Auf Englisch heißt Verantwortung: „Responsibility.“ Das ist ein faszinierendes Wort: „Response Ability“ – die Fähigkeit zu antworten. Was wir also im Rahmen der GFK und der Persönlichkeitsentwicklung trainieren wollen, ist unsere Fähigkeit zu antworten, also adäquat und wirksam mit alltäglichen Situationen umzugehen.

Wenn ich nicht „response-able“, also antwortfähig bin, dann bin ich höchstwahrscheinlich reaktiv. Im Fachjargon nennen wir es auch gerne „getriggert“. Das ist meist daran erkennbar, dass die emotionale Reaktion stark und dem Auslöser nicht angemessen ist. Meist liegt es an alten, schmerzhaften bis traumatischen Erfahrungen, die unbewusst wieder angesprochen (getriggert) werden und so meine weitgehend unbewusste Reaktivität erzeugen. Das sind oft Reaktionen, die unangemessen und sogar kindisch wirken, weil die Anteile, die dann in uns das Steuer übernehmen, meist auch noch sehr jung sind.

Hier kommen wir mit den klassischen Mitteln der GFK auch oft an unsere Grenzen. Empathie hilft mir in diesen Situationen oft, um mich zu beruhigen und präsent zu werden. Die alten Muster bleiben jedoch bestehen und werden bei der nächsten Gelegenheit unverändert ausgelöst.

Hier setzen z. B. weitergehende Ansätze, wie die von Robert Gonzales entwickelten „Living Compassion“-Prozesse, an. Hier nehmen wir uns sehr viel Zeit, um in einem geschützten, mitfühlenden Rahmen wirklich über unsere Urteile und Interpretationen hinauszugehen, den Schmerz und die Trauer tief und authentisch zu fühlen, um dann bei der kraftvollen und lebendigen Energie unserer Bedürfnisse anzukommen. Dies führt über die Zeit zu innerer Transformation und Heilung, sodass die Reaktivität Stück für Stück abnimmt.

Richtig verstanden ist Selbstverantwortung demnach keine Bürde oder Belastung, sondern führt zu innerer Freiheit. Denn wenn ich für meine innere Erfahrung voll verantwortlich bin, dann bedeutet dies, dass ich auch Einfluss über sie habe – und diesen Einfluss durch kontinuierliche Persönlichkeitsentwicklung steigern kann.

Demnach ist Freiheit oder Autonomie viel weniger eine Funktion im Außen. Sie bedeutet nicht, dass ich immer bekomme, was ich will bzw. die Welt komplett nach meinen Wünschen formen und beeinflussen kann. Das ist nicht möglich. Es bedeutet Freiheit über mein inneres Erleben und mehr und mehr Wahl zu haben, wie ich auf die Erlebnisse, die das Leben mir bietet, antworten möchte.

In diesem Sinne wünsche ich dir einen kraftvollen, selbstverantwortlichen Tag. 

Jürgen

P.S. Wenn du dich schon mit der GFK und anderen Ansätzen beschäftigt hast und dir diese Beschreibung von Persönlichkeitsentwicklung und Zugang zu deinem inneren Erleben zusagt, dann könnte unser Jahresprogramm „Voll im Leben – JETZT“ für dich ein nächster Schritt sein.

Mit einer voll motivierten Gruppe gehen wir ein Jahr lang gemeinsam auf die innere Reise der Persönlichkeitsentwicklung, um unsere Selbstverantwortung, Empathie, Klarheit und Wirksamkeit in der Welt maximal zu erweitern.

Suche dir doch einfach HIER einen passenden Zeitpunkt für ein unverbindliches Gespräch mit uns aus und finde heraus, ob 2025 dein Entwicklungsjahr wird! 😊

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