Was ein Dampfkochtopf mit meiner Seelenhygiene zu tun hat…
Seit über einer Woche schon war meine Stimmung gedrückt. Nicht fürchterlich, nicht tief im Keller, aber eben auch nicht gut. Die Arbeit war anstrengend und wenig inspirierend, morgens bin ich nicht voller Freude und Energie aufgestanden, und oft war so eine subtile, unterschwellige Trauer und Anspannung wahrnehmbar. Tag für Tag ging das so, ohne dass mir klar wurde, was los ist, und insbesondere ohne dass mir eingefallen wäre, zu tun, was hilft: innezuhalten und hinzuhören…
Am Montag war es dann so weit: Morgens (um 09:00 Uhr, zur besten Arbeitszeit) war genug Intensität an Trauer und Anspannung in mir, sodass mir klar wurde: So will ich mich nicht durch den Tag quälen. Ich kann das. Habe es oft genug getan. Mit Disziplin und Anstrengung kann ich trotzdem funktionieren, den Tag überstehen und meine Arbeit tun. Nicht besonders produktiv, schon gar nicht mit viel Freude und Inspiration, aber es geht. Schließlich habe ich das jahrzehntelang so praktiziert. Und ich möchte das jetzt nicht mehr.
Erster Schritt: Ich habe um Unterstützung gebeten. Das ist erfahrungsgemäß die größte Hürde. Je tiefer ich in meinem „Loch“ bin, je dringender ich Unterstützung brauche, umso schwieriger ist es, danach zu fragen. So geht es vielen, wenn nicht den meisten. Glücklicherweise war Iris da und hatte Zeit und Kapazität, mir Raum zu geben.
Wie muss man sich das vorstellen, das „Raum geben“? Es ist ein subtiler, sehr achtsamer und langsamer Prozess. Es braucht maximale Achtsamkeit, Präsenz, Vertrauen und einiges mehr. Am besten funktioniert das für mich mit einer Person, in deren Fähigkeiten und Haltung ich größtes Vertrauen habe. Das ist bei Iris natürlich der Fall. Sie ist in diesem Fall meine absolute „Lieblingsstrategie“… 😉
Was dann passiert, wie es wirkt und welche Einsichten es mir geschenkt hat, haben wir übrigens etwas später am Tag in einem kleinen Interview aufgenommen. Hier kannst du es dir anschauen. Zunächst gibt es eine kurze Zusammenfassung in einer Minute, und dann kannst du auch das gesamte Interview anschauen:
Im Wesentlichen würde ich den Prozess so zusammenfassen: Iris ist präsent, mit voller Aufmerksamkeit und Mitgefühl, während ich dem, was in mir gerade wahrnehmbar ist, Ausdruck verleihe. Und ab und zu, soweit nötig und hilfreich, gibt sie mir Hinweise und lenkt mich sanft zum Kern dessen, was in mir gerade an Leben, Intensität, Sehnsucht und Bedürfnissen anwesend ist.
Der Effekt ist kolossal. Als erstes kommen die Tränen. Ohne Kontext oder konkreten Auslöser, sie sind einfach da und fühlen sich immens warm und entspannend an. Es fühlt sich an, wie das Ventil eines Druckkessels zu öffnen (in meinem Bild ein Dampfkochtopf), der schon viel zu lange Überdruck hat. Durch die Präsenz von Iris öffnet sich das Ventil. In diesem Fall ganz leicht und mühelos. Das ist nicht immer so, aber jetzt war ich „reif“, der Druck war hoch.
Verschiedene Dinge können dann auf natürliche Art und Weise passieren oder an die Oberfläche kommen. Oft genug gibt es das ein oder andere Bedürfnis, das aktuell ist und Aufmerksamkeit braucht. Hier ist wieder der Prozess des Spürens elementar. Ein Bedürfniswort zu finden, ist 1 % der Arbeit. 99 % macht es dann aus, diese Lebensenergie tief und körperlich zu spüren und zu erleben, die ich mit diesem Wort meine. Oft entdecke ich auch Gedanken, Interpretationen, Urteile, Glaubenssätze etc., alle möglichen inneren Konstrukte, die mir im Weg stehen und mir unangenehme Gefühle erzeugen.
An diesem Morgen hat es völlig ausgereicht, den traurigen und ängstlichen Emotionen Raum zu geben, in meinem Bild den Druck aus dem Dampfkochtopf entweichen zu lassen, sodass ich wieder entspannt und präsent sein konnte. Während ich dies schreibe, sind schon zwei Tage vergangen, und ich bin immer noch sehr angenehm entspannt und weit in mir. Dieser Effekt ist einfach unbezahlbar.
Die Erfahrung erinnert mich auch eindrucksvoll daran, wie maximal hoch mein Einfluss auf die Qualität meiner Lebenserfahrung ist, wenn ich der „Herr in meinem inneren Haus“ bin. Für mich bedeutet das wahre Freiheit: wählen zu können, wie ich auf die Lebensumstände, und diese schließen meinen Gefühlshaushalt mit ein, reagieren möchte. Es ist der berühmte Raum zwischen Reiz und Reaktion, den Viktor Frankl beschrieben hat, in dem diese Freiheit wohnt. Ich habe wenig bis gar keinen Einfluss auf die Lebensumstände, die auf mich einwirken, jedoch habe ich 100 % Einfluss auf die Qualität meiner inneren Erfahrung.
Diesen Einfluss allerdings auch wirklich bewusst wahrnehmen zu können, erfordert eine intensive, disziplinierte und kontinuierliche Arbeit. Glücklicherweise eine Arbeit, die extrem berührend und bereichernd und ganz oft auch sehr inspirierend und freudvoll ist. Disziplin war für mich, wie für die meisten, als Jugendlicher ein absolutes Unwort, eine lästige Bürde oder ein Anspruch und Zwang von außen.
Inzwischen wird mir immer klarer, dass Elemente wie Struktur, Disziplin und Ausdauer tatsächlich meine erlebte Freiheit und Autonomie maximal steigern. Das feiere ich täglich!
Jürgen
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Lieber Jürgen,
Ich bin tief berührt. Bisher habe ich diesen Raum nur alleine betreten und meistens viel zu spät.
Ich weiß jetzt was mir fehlt- Danke für das Teilen dieses Schatzes.
Ich werde meinen Raumhalter finden.
M.
Lieber Jürgen,
da hast Du Deine Lieblingsstrategie also umgesetzt. Ich bin etwas besorgt, weil mir nicht klar ist, wieviel Kraft Iris aktuell anderen Menschen zur Verfügung stellen kann. Ich erinnere mich an ihren kürzlichen Blog, der eher nach einem Hilferuf klang, so als ob sie viel Kraft und Zuwendung benötigte.
Ronald