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Können 12 Sekunden die Welt retten?

Geschrieben von Iris Bawidamann am .

Die Angst sitzt mir im Nacken. Und im Brustkorb. Sie ist wie ein ständiger Begleiter, den ich bewusst im Zaum halte, damit er mich nicht überrollt. Bundestagswahlen am Sonntag. Trump. Putin. Der Nahe Osten am Rande der Eskalation, eine neue Weltordnung, unüberschaubar, komplex, es macht mir Angst. Plötzlich erscheinen mir Klimakrise und die rasante Entwicklung von KI wie Randnotizen.

Ich sitze mit dieser Angst. Lasse sie da sein. Und da sind sie: Überforderung. Entsetzen. Hilflosigkeit. Ich spüre sie schon lange, aber erst heute lasse ich sie wirklich zu. Und dann kommen die Tränen. Enttäuschung. Trauer. Ich nehme es persönlich.

Ich habe mein Leben der Idee des Friedens gewidmet. Junge Menschen, Verwaltungsmenschen und Politikschaffenden aus aller Welt zusammengebracht, verhandelt, Brücken gebaut. Im Europarat, von dem kaum jemand weiß und in dem auch Russland Mitglied war, den Kontinent Europa weit über die EU hinaus mitgestaltet. Ich habe alles gegeben, damit es in Europa nie wieder Krieg gibt, damit „Nie wieder!“ nicht nur eine Floskel bleibt. War es umsonst?

Eine Stimme flüstert: Nimm dich nicht so wichtig. Als ob es hier um dich ginge. Glaubst du wirklich, du hast etwas verändert? Ja. Das glaube ich. Genauso wie viele andere auch! Aber hat es gereicht? Offensichtlich nicht.

Und da ist noch eine Angst. Eine tiefsitzende, ererbte Angst. Vor neuen Pogromnächten, dieses Mal gegen andere. Mein Kopf versucht zu relativieren, doch mein Körper erinnert sich.

Wir alle haben Angst.

Egal, wie die Wahlen ausgehen. Egal, wie die neue Weltordnung aussieht. Angst überall. Denn wenn „die anderen“ gewinnen, verliere ich. Und andersrum. Ein Win-Win scheint unmöglich – vor allem vielleicht, weil die Vorstellungskraft dafür fehlt.

Doch in all der Verzweiflung freue ich mich über eines: Ich hole das Unbewusste, das in mir wirkt ins Bewusstsein. Und die Frage nagt an mir: Was kann ich tun? Was ist meine Rolle?

Ein Freund sagt: „In einem Orkan gibt es immer ein Zentrum. Dort ist es ruhig. Das ist unser Beitrag: Ruhe bewahren.“ Ja. Das habe ich gelernt. Robert Gonzales sagte einmal: „Das Mindeste, was ich in jede Situation einbringen kann, ist ein reguliertes Nervensystem.“ Das gibt mir Hoffnung. Das kann ich. Mich immer wieder regulieren. Hoffnung bewahren. Mensch bleiben.

Eine Freundin erinnert mich an Rick Hanson: „12 Sekunden muss man bei einer guten Sache verweilen, um sie wirklich zu speichern. Negative Erlebnisse setzen sich in Sekundenbruchteilen fest.“ Erst frustriert mich das. Dann rechne ich: 12 Sekunden. Die passen fünfmal in eine Minute, 300-mal in eine Stunde. Ich könnte in einer Stunde 300 gute Momente verankern. Das macht mich zur Hoffnungsträgerin. Könnten 12 Sekunden die Welt verändern?

Was, wenn ich am Sonntag vor dem Wahllokal Herzen verteile?

An alle. Egal, wen sie gewählt haben. Weil wir alle Angst haben. Weil wir alle ein gutes Leben wollen. Weil wir uns im Kern nicht so sehr unterscheiden, wie wir denken. Ich entscheide mich in einem anderen Rahmen zur Herzensverteilerin zu werden: Hier. Jetzt. Mit diesem Newsletter. In dieser Gruppe. An uns alle.

Ich will sagen: Wir schaffen das zusammen. Die Welt verändert sich rasant. Wir wissen nicht, wohin. Wir haben unterschiedliche Ideen, wie wir unser Überleben sichern, wie wir den Schaden zu begrenzen versuchen. Unsere Strategien unterscheiden sich. Unsere Parteien. Unsere Meinungen.

Aber: Wir schaffen das nur zusammen. Solange wir verhandeln, solange wir einander sehen, solange wir einander zuhören.

Wenn ich mit Jürgen, meinem Lebens- und Liebespartner einen großen Konflikt habe, gibt es einen Moment, in dem wir entscheiden: Hand in Hand da durch. Statt gegeneinander. Zusammen die Lösung suchen, auch wenn es schwer ist und wir sie noch nicht sehen. Ohne Verletzung. Ohne weiteres Leid.

Lasst uns Hand in Hand durch diese Zeit gehen. Lasst uns vertrauen.

Mein Verstand flüstert eine Frage: „Wenn du an die Menschheit glaubst – was taucht auf?“

Bist du dabei? Hand in Hand. Auch wenn es nicht leicht ist?

✨ Ich freue mich auf deine Rückmeldung. Schreib´ mir in die Kommentare.

Kommentare (31)

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